Interview mit Hauptdarstellerin Regula Grauwiller
Wann haben Sie das letzte Mal mit ihren Kindern einen Drachen steigen lassen und sich vom Physiotherapeuten einrenken lassen?
Einrenken lassen musste ich mich bisher zum Glück noch nie. Mit einem Drachen waren wir vor zwei oder drei Jahren auf der Insel Fanö. Da brauchte es auch tatsächlich meine Hilfe, denn der Wind war dort im Norden so stark, dass sie fast hinterher geflogen wären. Solchen Wind kennt man bei uns in der oberrheinischen Tiefebene eher nicht, wir haben ja hier insgesamt ziemliches Glück mit dem Wetter.
In der Reihe „Katie Fforde“ wird Stadt- und Landleben gleichermaßen gezeigt und auch gegeneinander abgesetzt. Sie haben in Großstädten gelebt und sind an ihren Heimatort in die Schweiz zurückgekehrt. Wo fühlen Sie sich wohler?
Das kann ich so gar nicht sagen. Es kommt auf die jeweilige Lebenssituation an, die ja sehr unterschiedlich sein kann. Für meine Kinder hatte ich den Wunsch, dass sie genauso auf dem Land aufwachsen können, wie ich früher: Hütten bauen im Wald usw. Ich selbst liebe auch die Großstadt sehr und es kann durchaus sein, dass wir da mal wieder hin ziehen. Ich finde, die richtige Mischung macht es aus.
Sie haben zu Zeiten von „Kurz und Schmerzlos“ mit Jasmin Tabatabai die Country-Frauen-Band „Even Cowgirls get the Blues“ gegründet – lang bevor überhaupt ein paar Brüder zu einer Band namens „Boss Hoss“ kamen. Es heißt, Sie haben 100 Konzerte gespielt. Waren Sie auch mal in den USA?
Nein, wir waren damals in Deutschland, der Schweiz und Österreich unterwegs. Lustigerweise sind wir sogar mal gleichzeitig mit „Boss Hoss“ aufgetreten. Ich glaube das war in Berlin in der Kulturbrauerei. Die hatten da grade angefangen, während wir kurz davor waren, aufzuhören. Wir haben um die 110 Konzerte gespielt, die mir eine Menge Bühnenerfahrung gebracht haben. Da ich nach der Ausbildung kein Theater gespielt hatte, sondern direkt beim Film gelandet bin, fehlte mir diese bis dahin. In der Band war ich mit Jasmin für die Show zuständig. Es war ein großer Spaß, weil wir mit den Klischees der Country-Musik gespielt haben. Ich habe mich auch nicht als Musikerin empfunden, sondern immer als Schauspielerin: Die Band war für mich damals sozusagen „just for fun“.
Machen Sie noch Musik?
Im familiären Rahmen spiele ich noch Cello im Quartett. Ich liebe dieses Instrument und würde gern mal eine Rolle spielen, in der es vorkommt.
Die Band war ja zuzeiten, als Sie in Fatih Akins „Kurz und schmerzlos“ gespielt haben, also dem Film, der Akin zum Durchbruch verhalf. Haben Sie während der Dreharbeiten gespürt, dass etwas Besonderes entsteht?
Das weiß man ja leider nie vorher. Aber während des Drehs war für alle spürbar, was für ein toller Regisseur er damals schon war. Ich werde häufig heute noch darauf angesprochen: Mit seinem Film ist er ja vielleicht auch ein Vorreiter gewesen und hat ein treffendes Generationenportrait geschaffen.
Julie Turner unterstützt seit Jahren die politische Karriere ihres Mannes, kümmert sich ums Kind und soll schließlich ihren Job zugunsten ihres Mannes ganz aufgeben. Sie haben in Interviews nie ein Geheimnis daraus gemacht, die Schauspielerei zugunsten ihrer drei Kinder zurück gestellt zu haben, bis diese jetzt alt genug sind. Wie sehen Sie das heute? Würden Sie es wieder so machen? Die Figur im Film sagt „Ich habe meine Entscheidung nie bereut“.
Ja, ich würde es auch wieder so machen und habe meine Entscheidung ebenfalls nie bereut. Heute bin ich sehr dankbar, dass das so aufgegangen ist. Ich wurde damals gewarnt, dass ein Aussetzen das Ende meiner Karriere bedeuten könne. Jede Frau mit Kindern kennt diesen Konflikt, wenn sie eine Pause machen möchte. Ich hab‘ auf meinen Bauch gehört und bin der Beweis, dass es möglich ist. Ich freue mich sehr über die Chance, wieder spielen zu können. Der Unterscheid zur Rolle ist: Julie Turner will ja nicht freiwillig aufhören, zu arbeiten. Ich fühlte mich da an Jacky Kennedy oder andere Politikerfrauen erinnert, die sich voll hinter ihre Männer gestellt haben. Sie haben einiges ausgehalten und mitmachen müssen, was Frauen meines Alters heute vielleicht nicht mehr so mitmachen würden. An Julie und Eric Turner gefällt mir, mit wieviel Großmut und Respekt sie sich begegnen, auch wenn es für sie als Paar nicht gut läuft.
Ihr Mann ist der bekannte Schauspieler Jophi Ries, was eigentlich keiner weiß, denn Sie haben sich nie als die Frau an seiner Seite gezeigt. Es gibt bei Google kein Foto von Ihnen zusammen auf einem der roten Teppiche, oder?
Doch, es gibt eins in Zürich, da war er mit auf einer Premiere, aber als Mann an meiner Seite. (lacht) Wir gehen viel zusammen aus, machen berufliche Termine zusammen, aber auch jeder für sich. Der Vorteil ist, dass wir ja beide mit dem Beruf gewählt haben, in der Öffentlichkeit zu stehen. Aber ich kann Partner gut verstehen, die in ihrer Privatsphäre geschützt werden wollen, wenn der andere Schauspieler ist.
Was würden Sie der Politikerfrau raten, wenn sie Ihre Freundin in der Schweiz wäre?
Ich finde es schwer, anderen Leuten etwas zu raten. Jeder soll und muss für sich entscheiden. Julie macht das sehr gut, finde ich. Mir war wichtig, sie nicht als Opfer darzustellen. Ich denke, das ist mir gelungen. Ganz im Gegensatz zu meiner Rolle in dem Krimi „Neben der Spur – Todeswunsch“, in dem Film spiele ich eine Ehefrau und Mutter, die das Opfer ist.
Der Film zeigt nebenbei auch das Thema „Parteispenden“ und die Abhängigkeiten, in die sich Politiker damit begeben. Julie Turner erkennt irgendwann ihren Mann – und auch sich selbst – kaum wieder. Ist es möglich, sich als Politiker treu zu bleiben?
Ich wünschte mir das, aber es ist wohl wahnsinnig schwer. Obama ist ja zu Beginn viel idealistischer hineingegangen, als er nun am Ende seiner Amtszeit herauskommt. Viel wurde ihm einfach unmöglich gemacht. Ich bin sehr froh, dass ich keine Politikerin bin, sondern sie im besten Falle spielen darf.
Ein chinesisches Sprichwort sagt „Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen.“ Dieses Sprichwort kommt auch im Film vor, könnte nicht aktueller sein, oder?
Ja, das stimmt. Das Flüchtlingsthema ist auch in der Schweiz sehr präsent, es gibt demnächst eine Volksabstimmung, um die viel populistischer Wind gemacht wird. Ich habe auch keine Lösung parat – wir alle wohl nicht – aber wir müssen unbedingt mitfühlende Menschen bleiben. Die Journalistin Carolin Emcke hat Anfang Januar etwas Schönes gesagt: „Es gibt so Wochen, da hört man vor lauter Gebrüll kaum seine eigenen Gedanken“. Manchmal wäre es vielleicht gut, einen Mittelweg zu finden. Nur schwarz oder weiß ist nicht meins, ich bin eher für die bunten Lösungen. Und das gefällt mir auch an unserem Film: Die Personen begegnen sich mit Respekt, sie lassen andere Meinungen gelten. Wenn man Kinder hat, möchte man Vorbild sein und vorleben, was man sich für die Welt wünscht. Wenn jeder bei sich anfängt, wäre das für den Mikro- wie den Makrokosmos ein Anfang.
Das Interview führte Claudia Maxelon für die digitale Pressemappe des ZDF