Ein Film von Hans Steinbichler nach einem Drehbuch von Martin Ambrosch mit Petra Schmidt-Schaller und Ina Weisse in den Hauptrollen

Eva (Petra Schmidt-Schaller) hat ihre ältere Schwester Lydia (Ina Weisse) jahrelang vergeblich gesucht, doch plötzlich taucht diese im Heimatort in den Bergen auf und rechnet mit der Familie ab. Ein Geflecht aus Lüge und Verrat tut sich auf, die Fassade bricht, und die junge Frau droht ins Nichts zu taumeln.

Aus einem ungezwungenen Familienessen wird bitterer Ernst, als Lydia nach langer Abwesenheit in ihren Heimatort Bad Gastein zurückkehrt. Seit Jahrzehnten hat niemand mehr von ihr gehört, niemand hat mit ihrem Auftauchen gerechnet. Die Freude der Familie schlägt in Wut und Unverständnis um, als Lydia ihre über­raschende Rückkehr nutzt, um mit den Menschen aus ihrer Ver­gangenheit abzurechnen. Denn Lydia klagt Christian, den Ver­lobten ihrer jüngeren Schwester Eva an, sie als 14-Jährige ver­gewaltigt zu haben. Ein Ereignis, das ihre Kindheit abrupt been­det und von dem sie sich nie richtig erholt habe. Im Ort beginnen sich Gerüchte zu verbreiten, die Familie ist fassungslos.

Eva trifft Lydias Anzeige besonders hart: Jahrzehntelang hatte sie vergeblich Kontakt zur Schwester gesucht, unter dem diffusen Gefühl gelitten, dass etwas Essentielles in ihrem Leben fehlt. Ein Gefühl, das vielleicht nur die Schwester ihr nehmen kann? Eva ist hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, der sichtlich labilen Lydia helfen zu wollen und sie gleichzeitig davon abzubringen, sich noch weiter in ihre Lügengeschichten zu verstricken. Denn obgleich niemand im Ort an der Unschuld des beliebten Lehrers zweifeln will, haben die Anschuldigungen schon bald Konsequen­zen: Christian, durch die Gerüchte stigmatisiert, droht seine An­stellung zu verlieren.

Und dann wird Christians Leiche aus dem reißenden Fluss gebor­gen, der den traditionsreichen Ort schon seit jeher teilt. Die Poli­zei geht von einem Suizid aus und will den Fall zu den Akten le­gen. Eva ist jedoch der festen Überzeugung, dass ihre Schwester Christian in den Tod getrieben hat und sucht nach Beweisen. Je intensiver sich Eva dann mit der Vergangenheit ihrer Schwester auseinandersetzt, desto realer werden deren Anschuldigungen für sie.

Abgeschieden hoch in den Bergen wird ein kleiner Kurort, dessen Grandhotels aus der Belle Epoque den ganz besonderen Charme dieser Glanzzeiten lebendig halten, zum schicksalhaften Ort eines abgründig und feinsinnig erzählten Dramas. Martin Ambrosch („Spuren des Bösen“, „Das finstere Tal“) lieferte mit seinem Drehbuch die Vorlage für einen emotional dichten Film in archaischem Setting. Für die Regie kam der renommierte und preisgekrönte Hans Steinbichler, bekannt durch seine psycholo­gisch differenzierten und atmosphärisch aufgeladenen Filme („Hierankl“, „Winterreise“, „Bella Block“, „Hattinger – Der Chiemseekrimi“), an Bord. Er selbst ist in den Alpen aufgewach­sen und hat mit seinen Filmen bereits vielfach bewiesen, dass ihn allgemeingültige Genrevorgaben nicht interessieren. Dafür ver­steht er es wie kein anderer, mit immer wieder aufregenden filmi­schen Mitteln und mit einem manchmal fast gnadenlosen Blick die Geschichten von Menschen freizulegen. Menschen und ihre Dra­men, die wiederum nicht ohne die Landschaft, in der sie leben, zu verstehen sind. Menschen und ihre Geschichten, die bei näherer Betrachtung meist einem Abgrund gleichen.

Der Film ist hochkarätig besetzt mit den Schauspielern Petra Schmidt-Schaller, Ina Weisse, Simon Schwarz, Hary Prinz, Helmuth Lohner u.a.. „Das Dorf des Schweigens“ ist eine Produktion von Network Movie Hamburg, Jutta Lieck-Klenke. Producerin: Anne-Lena Dwyer, Produzenten: Jutta Lieck-Klenke und Dietrich Kluge. Hergestellt mit Unterstützung des Landes Salzburg. Die Redaktion im ZDF liegt bei Daniel Blum.

  • Stab

    Ein Film von Hans Steinbichler nach einem Drehbuch von Martin Ambrosch

    Regie
    Hans Steinbichler

    Kamera
    Bella Halben

    Szenenbild
    Heike Lange

    Kostüm
    Katharina Ost

    Musik
    Alex Komlew

    Casting
    Franziska Aigner

    Montage
    Wolfgang Weigl

    Produktionsleitung
    Andrea Bockelmann

    Herstellungsleitung
    Roger Daute

    Producer
    Anne-Lena Dwyer

    Produzenten
    Jutta Lieck-Klenke, Dietrich Kluge

    Produktion
    Network Movie, Hamburg

    Redaktion
    Daniel Blum

    Die Darsteller
    Petra Schmidt-Schaller
    Ina Weisse
    Simon Schwarz
    Helmuth Lohner
    Hary Prinz
    Hildegard Schmahl
    Karl Fischer
    Doris Hindinger
    u.a.














"Rabiat, unerbittlich und ohne Rücksicht…" Interview mit Hans Steinbichler Aus dem Mikrokosmos Familie entwickeln Sie immer wieder Filme, die – einer antiken Tragödie gleich – ein ganzes Universum an Liebe, Hass, Verrat, Neid, Lüge, Schuld, Manipulation und Lust auffächern. Wie sind Sie eigentlich vom Jurastudium zum Film gekommen? Es gibt eine interessante Parallele zwischen der Juristerei und dem Machen eines Filmes, beziehungsweise der Erzählung einer Geschichte: Die Abstraktion des Gesetzes erlaubt es, jede Lebenswirklichkeit – und sei sie noch so abwegig – unter einen Paragraphen zu zwingen. Sprich: die ganze Welt in eine Form zu gießen, in der man sie dann betrachten kann. Das gleiche Verfahren, nur eben nicht statisch und abstrakt, sondern in tausendfachen Variationen und lebendig, erlaubt die Erzählung eines Filmes. Sie können eine ganze Welt in 90 Minuten erzählen. "Das Dorf des Schweigens" spielt alle Archetypen der griechischen Tragödie durch – und ist doch absolut heutig. Ich habe mich Anfang Zwanzig, obwohl ich durch die Fotographie und das Schreiben schon damals von der Welt des Erzählens absorbiert war, entschieden, meiner Leidenschaft eine Art Disziplinierung und Denkstruktur gegenüberzustellen. Und das war – in der maximal möglichen Abstraktion – das Jura-Studium. Diese Idee war aber eine bürgerliche Kopfgeburt und in einem sogenannten "lichten Moment" (einer Beschreibung aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch) habe ich die Bücher zugeklappt und mich an der Filmhochschule beworben. Auf welche Fälle hätten Sie sich spezialisiert, wenn Sie Anwalt geworden wären? Es gibt im Recht kein Gefühl, sondern abstrakte Gesetzestexte für die Bewertung von Handlungen. Mich hat im Studium vor allem Aussichtsloses und Abwegiges interessiert und das findet man zumeist im Strafrecht. Ich habe in dieser Zeit beispielsweise Otto Schily, der Mitglieder der RAF verteidigte, bewundert. Und sich, wie jetzt die Verteidiger der Angeklagten des NSU, der Aussichtslosigkeit und den Grauen dieses Verfahrens zu stellen, finde ich absolut bemerkenswert. Sie gelten als mutiger, kompromissloser und vollkommen unerschrockener Filmemacher, was wollen Sie in ihren Filmen erzählen? Die Wahrheit. Ist die Wahrheit den Menschen zumutbar? Das ist die Frage, die der Film stellt: Ist die Wahrheit den Menschen zumutbar? Ja, denn Wahrheit ist objektiv und der Mensch muss sich ihr stellen. Man kann die Wahrheit nicht relativieren. Wenn Eva, die Protagonistin, zu Beginn des Films im Heilstollen tief im Innern des Bergs zu sehen ist, so ist dies ein einfaches Bild für ihren Zustand: sie bewegt sich in den Eingeweiden des Berges, aber sie versteht nicht, dass diese Nachtschwärze, die sie umgibt, ihr eigener blinder Fleck ist, dass diese Eingeweide ihre eigenen sind. Der Berg ist Evas Gefängnis. Aber wie befreit man sich aus einem Gefängnis, von dem man nicht weiß, dass es einen umschließt? Wie bewegt man sich im Nebel? Wie erlangt man Erkenntnis? Eva tastet sich blind, aber mit ungeheurer Kraft, Schritt für Schritt ins Herz einer Finsternis, die so tief wie schmerzhaft ist. Als sie dann die Dunkelheit durchmessen hat und ans Licht tritt, kommt dies einem "inneren Erblinden" gleich. Die Erkenntnis, der sie sich stellen muss, ist wie ein Blitz, der ungeschützt in sie einschlägt. Sie lassen von einigen Figuren in Ihren Filmen nichts übrig, am Ende sind diese dann vollkommen zerstört, der Zuschauer wohnt einer "Apokalypse" bei. Würden Sie sich als moralischen Menschen bezeichnen? Im Gegenteil. Ich würde mich als amoralisch bezeichnen. Beim Erzählen ist die Moral ein Stolperstein, der die Geschichte am Laufen hindert. Gerade die bösen Figuren in den Geschichten haben meine volle Aufmerksamkeit und meinen Rückhalt. Die Figur der Mutter in "Das Dorf des Schweigens", gespielt von Hildegard Schmahl, habe ich in jeder ihrer Handlungen innerlich verteidigt. Das ist ein Instrument, um beim Erzählen und Inszenieren präzise zu sein. Den Guten nimmt man alles ab, die vermeintlich Bösen müssen demgegenüber äußerst genau gezeichnet sein. Was werfen Sie der Nachkriegs-Generation vor? Für mich als jemanden, der am liebsten von Lügen und Geheimnissen – im Prinzip von der Unfähigkeit, miteinander zu sprechen und sich auszutauschen – erzählt, ist die Nachkriegsgeneration natürlich ein schier unerschöpfliches Reservoir. Denn es ist die Generation des Schweigens. Insofern habe ich in dieser Generation (meines Vaters) das Material und die Geschichten gefunden, über die es sich zu erzählen lohnt. Es ist mir darüber hinaus total fern, eine Generation unter einem moralischen Aspekt zu beleuchten oder gar zu bewerten. Ich glaube, dass sich unsere Generation in Bezug auf den Zustand der gesamten Welt härteren und unnachgiebigeren Fragen stellen werden muss, als dies bei der Generation nach dem Zweiten Weltkrieg der Fall war und ist. Mögen Sie Familientraditionen und Rituale? Die Heimatlosigkeit in unserer Welt ist derart und umfassend, dass Traditionen und Rituale der letzte Strohhalm sind, an dem man sich in einer zunehmend fremden und sich rasend schnell verändernden Umwelt festhalten kann. Rituale sind zudem dem Zugriff von außen entzogen und können daher auch weitgehend unverändert weitergegeben werden. Sie werden in dieser Welt immer wichtiger werden. Wir versuchen sie zu pflegen. Es heißt "Schweigen ist Macht, Schweigen ist Kommunikation". Werden die beiden Frauen heile da raus kommen können? Wie? Schweigen ist vor allem Macht. Und für den, der nichts erfährt, Ohnmacht. Dieses Schweigen wird in "Das Dorf des Schweigens" sukzessive gebrochen. Rabiat, unerbittlich und ohne Rücksicht auf Familie, Gesellschaft und die Interessen des Einzelnen. Und so stehen die Schwestern Eva und Lydia Perner am Ende des Filmes vor den Trümmern ihres Lebens – und sind doch frei. Das Interview führte Claudia Maxelon (Auszug aus der digitalen Pressemappe des ZDF)