Am 14. März 2016 starb nachts völlig überraschend Regisseur Carlo Rola. Er und seine Frau Dennenesch Zoudé arbeiteten mit uns für die Reihe „Katie Fforde“, deren Handlungsorte an der Ostküste der USA liegen. Orte, mit denen auch Carlo Rola und Dennenesch Zoudé sehr verbunden waren, in die sie viele gemeinsame Reisen machten und an einem ganz besonderen, nämlich New York City, 2009 heirateten. Bereits bei zwei Filmen der Reihe hatte Rola Regie geführt: „Katie Fforde: Warum hab ich ja gesagt“ und „Katie Fforde: Die Frau an seiner Seite“. Im April sollte in New York die nächste Klappe für einen neuen Film geschlagen werden.
Noch am Morgen des 14. März war alles wie immer: Dennenesch autorisierte das PR-Interview für den Film „Katie Fforde: Hexensommer“ (Sendetermin: 1. Mai), hatte auch von ihrer neuen Stiftung „Fairchance“ für Migrationskinder erzählt. Gute Laune, eine Frau, die mitten im Leben steht in einer Rolle, in der zu sehen ist, wie positiv und stets voller Elan sie ist: Als Pfarrerin mischt sie eine kleine Gemeinde mit ihrer liberalen, offenen Weltsicht auf.
Schon ein paar Stunden später sollte alles anders sein: Carlo Rola erlitt einen plötzlichen Herztod. Vor diesem Hintergrund ist das folgende Interview einzuordnen, die Statements machte sie vor dem Tod ihres Mannes. Unsere Gedanken und unsere ganze Anteilnahme sind bei ihr.
Interview mit Dennenesch Zoudé zu „Katie Fforde: Hexensommer“
Frau Zoudé, der Film steigt für den Sonntagabend-Sendeplatz ziemlich steil ein, oder?
Genau ein ungewöhnlicher Beginn. Wir sehen zwei Häftlinge, die im Gefängnis von mir als Pastorin getraut werden und den Segen erhalten. Die Pastorin wird daraufhin strafversetzt. Mich hat gereizt, dass der Film keine klassische Liebesgeschichte erzählt, eine Frau muss sich zwischen 2 Männer entscheiden, sondern die Liebe in all ihren Formen thematisiert: zwischen Mann und Mann, Mann und Frau, Tochter und Mutter, Gemeinde und Pfarrer. Wie gehen der alte Pastor der Gemeinde und die junge Pastorin mit Konfliktsituationen um? Es geht um Mut und die eigene Überzeugung gegen Widerstände von außen zu leben. Der Film entwickelt dadurch eine ganz eigene Magie. Gwen hat sich als Pastorin im Gefängnis wohl gefühlt. Sicher eine Ausnahmesituation, aber dennoch ein besonderer Raum für sie, an dem sie gern geblieben wäre. Vielleicht hat es etwas mit ihrer Lebensgeschichte zu tun? Der Film ist nicht vorhersehbar.
Wie halten Sie es mit der Religion?
Ich finde Glauben/Religion etwas sehr intimes. Ganz wichtig: Jeder soll es halten können, wie er will. Wir haben doch alle eine Art innere Stimme, einen Leitfaden, egal wie wir diesen genau bezeichnen und leben. Viele nennen es Religion, für andere ist es eine Form der Spiritualität. Auf jeden Fall ein Rückzugsort. Die Hauptsache ist doch, dass es auf Freiwilligkeit beruht und niemand dazu gezwungen wird. Ich bin also ganz klassisch für eine Trennung von Kirche und Staat, wenn man so will.
Die Pfarrerin im Film lässt sich Tarot-Karten legen, haben Sie sich schon mal die Zukunft vorher sagen lassen?
Unser Film läuft am 1. Mai. In dieser Nacht wird traditionell in den Mai getanzt – zur Vertreibung böser Geister und zur Begrüßung des Frühlings. Ich liebe Traditionen und Rituale eigentlich sehr, aber wenn ich so recht überlege, habe ich noch nie in den Mai getanzt. Ob das daran liegt, dass ich ein Großstadtkind bin? Ich war als siebenjährige in Äthiopien bei einem riesigen Feuer, als ich Verwandte besuchte. Es wird wohl ein Osterfeuer gewesen sein, aber in Berlin hab' ich nie eins gesehen und auch Karten habe ich mir noch nicht legen lassen. Ich sollte das vielleicht wie Gwen mal ausprobieren.
Die Dreharbeiten fanden in der Nähe von Salem statt, das auch den Spitznamen „Witch City“ trägt. Waren Sie mal dort während der Dreharbeiten?
Salem ist genau das Gegenteil von unserem Spielort Ipswitch. Scheinbar jeder dort hat sich dem Thema auf irgendeine Weise verschrieben. Das Städtchen ist ein Sammelort für Menschen, die sich dafür interessieren, aber stets auch mit Augenzwinkern. Der Tourismus ist voll darauf ausgerichtet. Oliver versucht genau das in Ipswitch umzusetzen und Tourismus zu etablieren. Die Amerikaner lieben ja im Allgemeinen auch Halloween, ein wichtiger Feiertag dort. Sie lieben die Tradition, Menschen zu erschrecken und ihren Schabernack zu treiben.
Mit Pfarrer Finlay und der emanzipierten Gwen treffen zwei Welten aufeinander. So ein Schlagabtausch mit Kollege Dietrich Mattausch um das Tolerieren von Halloween und Kürbis: Improvisiert man da auch mal?
Wir haben teilweise frei gearbeitet mit Regisseur Helmut Metzger und manchmal noch ne Schippe Streit drauf gelegt, ein großes Vergnügen. Wir zeigen zwei Menschen, die sich aus nachvollziehbaren Gründen beide in ihren Lebenseinstellungen festgefahren haben. Und tun wir das nicht alle in Augenblicken, in denen wir Angst haben, dass das Gerüst, an dem wir uns festhalten, zusammen brechen könnte? Gwen muss sich einem Neuanfang stellen und dieser wird ihr nicht leicht gemacht.
Sie leiten einen Chor und spielen im Film Klavier, ist Ihnen das leicht gefallen?
Ich habe mich auf die Szenen als Chorleiterin natürlich vorbereitet. Dirigiert habe ich noch nie. Vor meiner Leidenschaft für die Schauspielerei stand die erste große Liebe 'Musik'. Ich habe eine Gesangsausbildung, spiele heute noch Gitarre, und habe in Chören gesungen. Erfahrungen, die mir für den Film zu Gute kamen, besonders die Zeit im Gospelchor. Die Musik steht im Film als Metapher für ein 'sich öffnen'. Über das Singen im Chor findet Gwen schließlich den Zugang zu den Menschen, die in diesem verkrusteten, 'verhärmten' Dorf, so lang im Streit miteinander lagen.
Warum wissen manche so wenig über das Leben ihrer Eltern?
Ich glaube, wir verharren häufig zu viel in der Vergangenheit. Gwen ist ein sehr positiver Mensch, für die ist das Glas immer halb voll, ohne dabei oberflächlich zu sein…
Ich persönlich finde, dass man nicht die eigene Vergangenheit komplett durchleuchten und verstehen muss, um sich nach vorn auszurichten. Pfarrerin Gwen wird gezwungen, im Leben ihrer verstorbenen Mutter zu forschen und versteht danach ihre eigene Geschichte besser, sie hat dies jedoch nicht freiwillig angestoßen.
Sie haben die Autorin Katie Fforde am Set kennen gelernt, wie ist sie?
Eine charmante, lustige, sehr offene Frau. Very British. Wir haben über Gott und die Welt geredet – passend zum Film (lacht). Sie hat auch viel von sich erzählt. Auffallend ist ihre sehr sympathische Form der Bescheidenheit.
Das Interview führte Claudia Maxelon